Entwicklung der Erdbebennorm

Über die Entwicklung der Norm zur Errichtung von erdbebensicheren Bauten in Österreich

In Österreich regelte nach 1945 die ÖNORM B 4000-3 "Berechnung und Ausführung der Tragwerke – allgemeine Grundlagen – Windlasten und Erdbebenkräfte" in den drei Ausgaben 1955, 1956 und 1961 die Berücksichtigung der Erdbebeneinwirkungen. Drei Jahre nach dem schweren Erdbeben im Friaul 1976 wurde 1979 eine neue ÖNORM B 4015-1 "Erdbebenkräfte an nicht schwingungsanfälligen Bauwerken" herausgegeben.

Karte für die Norm von 1979 ©ZAMG

Ein weiterer geplanter Teil (Teil 2, Berechnungsanleitung) wurde damals nicht fertiggestellt. Die in der Gefährdungskarte angeführten effektiven horizontalen Bodenbeschleunigungswerte bezogen sich auf das 100-jährliche Erdbeben und die Isolinien gleicher Erdbebenbelastung auf das 200-jährliche Erdbeben. Die angeführten Beschleunigungswerte sind Abschätzungen, die auf einem Vergleich mit makroseismischen Meldungen beruhten.

Die Einführung des EUROCODE 8, der die Bemessungs­werte mit 90 % Nicht­über­schreitungs­wahr­schein­lich­keit in 50 Jahren vor­schreibt, erforderte eine grund­legende Über­arbeitung, die am 1.Oktober 1997 in einer neuen Fassung der ÖNORM B 4015-1 mündete und sich auf einer Studie für die Stau­becken­kommission gründete (Lenhardt, 1995). Im August 1999 folgte dann zum ersten Mal der 2. Teil der ÖNORM, der sich mit den Berechnungs­methoden befasste. Im Juni 2002 erschien dann die Version der ÖNORM B 4015, die die beiden Teile 1 und 2 zusammen­fasste. Ende Mai 2009 wurde die ÖNORM B 4015 zurück­gezogen. An ihre Stelle trat die ÖNORM EN 1998-1, die dem EUROCODE-8 entspricht. Nationale Fest­legungen und Erläuterungen sind in der dazu­gehörigen ÖNORM B 1998-1 geregelt. Die in der letzten Version der ÖNORM B 4015 (Version 1997) erwähnten Erdbeben-Bemessungs­werte blieben bestehen und entsprechen den damaligen effektiven horizontalen Boden­beschleunigungen für die quasi­statische Berechnungs­methoden. Inzwischen finden die Bemessungen auf Basis der Antwort­spektren­methode statt.

Um der Erdbeben­gefährdung bautechnisch Rechnung zu tragen, ist die im Folgenden angeführte Land­karte erstellt worden. Diese Karte weist die Zonen unter­schiedlicher Erdbeben­belastung auf, die dazu dienen ent­sprechende Vor­kehrungen bei der Planung von Gebäuden treffen zu können.

Erdbebengefährdung - Zonen Österreich

Aktuelle Erdbebengefährdungskarte von Österreich (seit 1997) © ZAMG Geophysik

Diese Karte wird demnächst aktualisiert, sodass diese dem im neuen EUROCODE 8 vor­ge­schriebenen Para­metern folgt. Ein erster Entwurf wurde bereits 2019 präsentiert (Weginger et al., 2019), der sich ins­besondere mit den Basis­werten für die orts­abhängigen Bemessungs­be­schleu­ni­gung für die nun gängige Ver­wendung von Antwort­spektren befasste.

Verfasser: W.A. Lenhardt

Literatur

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  • Lenhardt, W.A., 1997. Neue Erdbeben-Baunorm für Österreich. Österreichische Bauwirtschaftszeitung, Oktober, 10 – 12.
  • Lenhardt, W.A., 1998. Erdbeben der vierten Art. Bautechnik 75, Heft 10, 781 – 791.
  • Lenhardt, W.A., Gangl, G. & Flesch, R., 2001. Erdbebengefährdung in Österreich. In: Hammerl, Ch.
  • Lenhardt, W. A., Steinacker, R., Steinhauser, P. (Hg.), 2001. Meteorologie und Geophysik in Österreich. Festschrift anlässlich des 150-Jahr Jubiläums der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien, Leykam Verlag, 838 Seiten, 505 – 515.
  • Lenhardt, W.A., Stimmeder, G. & Benko, V., 2002. Erläuterung von Fachbegriffen in ÖNORM B 4015. Österreichisches Normungsinstitut, ON-NP 8, Wien, 79 Seiten.
  • Lenhardt, W.A., 2010. Seismologische Grundlagen erdbebenbedingter Gebäudebelastungen, Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift, 155. Jg., Heft 1-3/2010 und Heft 4-6/2010, 45 – 48.
  • Lenhardt, W., Hammerl, Ch., Papi-Isaba, M.d.P. und Weginger, S., 2020. Erdbeben. In Glade, Th., Mergili, M. und Sattler, K. (Hg.), 2020. ExtremA 2019. Aktueller Wissensstand zu Extremereignissen alpiner Naturgefahren in Österreich. BMLRT, V&R unipress, 780 Seiten, 591 – 608.
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  • ÖNORM, 1997. Belastungsannahmen im Bauwesen, Außergewöhnliche Einwirkungen, Erdbebeneinwirkungen, Grundlagen - ÖNORM B 4015-1, Austrian Standards Institute (ON)/, ICS 91.010.30
  • ÖNORM, 1999. Belastungsannahmen im Bauwesen, Außergewöhnliche Einwirkungen, Erdbebeneinwirkungen, Berechnungsverfahren - ÖNORM B 4015-2, Austrian Standards Institute (ON), ICS 91.010.30
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  • ÖNORM B 1998-1, 2011. Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben. Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten. Ausgabe 2011-06-15. Ersatz für ÖNORM B 1998-1:2006, Austrian Standards Institute (ON), ICS 91.010.30; 91.120.25, 38 Seiten.
  • Weginger, S., Jia, Y., Papi-Isaba, M.d.P., Lenhardt, W. & Hausmann, H., 2019. Entwicklung einer regionalen Erdbebengefährdungskarte für Österreich. 16. D-A-CH Tagung Erdbebeningenieurwesen & Baudynamik (D-A-CH 2019) 26. und 27. September 2019, Universität Innsbruck, 27-34.